Abschied von Freund und Künstler Vittore Bocchetta

Veränderungen in der Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit

Am 18. Februar dieses Jahres erreichte die Nachricht vom Tod Vittore Bocchettas den Verein Dokumentationsstätte, die Stadt Hersbruck und unsere Schule im Lockdown.

Am 15. November 2020 hatten noch mehrere hundert Schüler*innen mit ihrer Unterschrift dem Künstler zum 102. Geburtstag nach Verona in Italien gratuliert. Der Maler des Bildes in unserer Aula war Zeitzeuge und Überlebender des KZ Hersbruck, großväterlicher Freund und Brückenbauer aus einer fremden, verstörenden Vergangenheit in die Zukunft unserer Schüler*innen. Eine häufige Eingangsfrage in meinem Religionsunterricht war: Wie geht es dem Herrn Bocchetta?

Viele Jahre lang war Bocchetta im Schulalltag gegenwärtig. Schüler*innen begegneten ihm bei Zeitzeugengesprächen in Hersbruck persönlich, sie hatten eine eigene Erinnerung. Andere kamen durchs Erzählen in Verbindung und interessierten sich für sein Schicksal, sein Leiden und Überleben, sein Wohlergehen in hohem Alter. Sie identifizierten sich und fühlten mit. Unsere noch nicht so ferne lokale Geschichte bildete den Rahmen. Es ging immer um die Frage: Was ist human im Vergleich zu den Unmenschlichkeiten der NS-Zeit und im KZ Hersbruck?

Ich habe in allen Jahrgangsstufen und allen Klassen in Religion von den Menschen und ihren Lebensläufen in der Nazi-Zeit, im KZ und danach, und von der Deportation der Sinti aus Hersbruck erzählt. Bilder, Texte und Videos machten das (Un)Menschliche anschaulich. Am meisten bei der
Sache waren Schüler*innen der 5. und 6. Klassen.

Der Gedenktag der Opfer des Faschismus am 27. Januar war ein regelmäßiger Anlass. Die Schule warb in Elternbriefen zur Teilnahme an Gedenkfeier und Gottesdienst. In einer Lichterkette am Häftlingsweg konnten Schüler*innen und Familien ihrer Betroffenheit mit dem Licht der Kerzen Ausdruck geben.

Vittores Geburtstag am 15. November wurde „gefeiert“. Zum 100sten sang ein Chor aus allen Schüler*innen „Die Gedanken sind frei“ als Gruß nach Verona. Wir hätten Vittore gern vor seiner Wohnung in Verona überrascht, aber es fand sich kein Sponsor für den Flug mit mehr als 600 Schüler*innen.

In einer „Menschenkette statt Lagerzaun“ im Jahr 2012 umstellten 1100 Schüler*innen aus allen Hersbrucker Schularten das KZ-Gelände. Mit dabei war damals Lju­biša Letiċ aus Novi Sad in Serbien, der ebenfalls KZ und Doggerstollen überlebt hatte. Das Ereignis war ein schulübergreifendes Event, nachvollzogene Geschichte, ein Lehrstück in Geografie und europäischer Verständigung zugleich.

Landkreis und Schule kauften das Gemälde „Consumati“ im Original. Es hängt in der Aula und wird immer wieder von Klassen zum Nachdenken herangezogen. Wir wählten bewusst ein Bild mit aktuellem gesellschaftlichem Thema, mit dem sich V. Bocchetta bleibend in der Schule vorstellt. In der Aula des PPG lädt die Skulptur „Incubo“ (Alptraum) zum Besuch ein. Beide Kunstwerke im öffentlichen Raum ergänzen den „Schwarzen Kubus“ des DokuOrtes am ehemaligen KZ-Gelände und die Skulptur „Ohne Namen“ am Rand des Rosengarten. Von der Schule aus erreichbar in Frei- und Vertretungsstunden zur Illustration der lokalen Geschichte.

In den letzten beiden Schuljahren gab es nachmittags eine AG zur „Geschichte des KZ Hersbruck- damals und heute“. Interessierte Schüler*innen befassten sich intensiver mit den Ereignissen des Nationalsozialismus in Hersbruck und begegneten Menschen, die an die Verbrechen dieser Zeit erinnern und für eine menschliche Gegenwart und Zukunft arbeiten.

Ein Jahrzehnt Erinnerungs- und Gedenkarbeit zum KZ Hersbruck zeigen, dass die Inhalte des Lehrplans in Geschichte, Sozialkunde, Religion und Ethik vor allem dann im Leben von Schüler*innen eine Rolle spielen, wenn sie Bezugspunkte im Alltagsleben haben. Die drei wichtigsten Bezugspunkte waren: Begegnung und Identifikation mit Menschen, die selbst berichten können; Dokumentation und Erläutern der lokalen Geschichte möglichst nahe an der Familiengeschichte; Verbindung mit den öffentlichen Gedenktagen und Ereignissen. Nach Vittore Bocchettas Tod haben wir keine Zeitzeugen erster Hand mehr. An ihre Stelle treten Audio- und Video-Dokumente sowie die Erzählung aus zweiter Hand: „Ich habe Vittore Bocchetta gekannt, und Lju­biša Letiċ und Franz Rosenbach“. Als Video empfehle ich den Film „Non dimenticare“ von 2009 über Vittore Bocchetta – Künstler und Widerstandkämpfer
(https://www.youtube.com/watch?v=46dpv3paPMA).

Thomas Wrensch,

Pfr. und Religionslehrer, Vorsitzender Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e.V.

 

Vittore wurde 101 Jahre – die JSR gratulierte

Am 15. November 2019 wurde Vittore Bocchetta 101 Jahre alt. Schülerinnen und Schüler der  AG KZ Hersbruck, damals und heute, hatten ein Glückwunschplakat vorbereitet und seit Tagen in der Aula unterzeichnen lassen. Unsere Schulleitung gratulierte mit einem italienischen Text, Schüler mit Namen und kleinen Zeichnungen. Am Geburtstag ging ein Foto der Geburtstagsblume direkt nach Verona, und noch am Abend bedankte sich Vittore durch seinen Neffen Alberto Bocchetta. Er hatte tatsächlich an seinem Geburtstag seine Wohnung verlassen und war bei einer Preisverleihung anlässlich seines Geburtstags anwesend. „Vittore wurde 101 Jahre – die JSR gratulierte“ weiterlesen

Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Am 17. bzw. 19.10.2017 fuhren die 10.Klassen gemeinsam mit ihren Geschichtslehrern nach Flossenbürg.

Nach einer 1 ½ stündigen Fahrt standen wir vor dem Tor der Gedenkstätte, wurden in Gruppen aufgeteilt und einem Rundgangsleiter zugewiesen. Für uns ging es zuerst zu dem ehemaligen Eingangstor, von dem, im Gegensatz zu damals, nur noch wenig zu erkennen ist. An dieser Stelle klärte uns unsere Rundgangsleiterin zum einen über die Größe des ehemaligen Konzentrationslagers auf, zum anderen schilderte sie uns, wie der Eingang früher aussah. Ihre Erzählungen veranschaulichte sie durch alte Fotografien, sodass wir einen beklemmenden Eindruck von der Lagerzeit bekamen.

Anschließend entschieden wir uns, in das kleine Museum zu gehen, das im ehemaligen Duschhaus untergebracht ist. Zahlreiche Ausstellungsstücke gaben uns einen Eindruck vom Leben der KZ-Häftlinge. Danach wurden wir in den Keller geführt, wo wir den noch im Original erhaltenen Duschraum zu Gesicht bekamen. Hier wurde uns erzählt, welchen Qualen die Häftlinge ausgesetzt waren. Wir erfuhren, dass sich die Lageraufseher einen Spaß daraus machten, die nackten Körper der Inhaftierten abwechselnd mit heißem und kalten Wasser abzuspritzen oder wahllos Häftlinge schlugen. In Erinnerung bleibt sicherlich das Zitat von Bocchetta, das mit schwarzen Buchstaben an die weiß getünchte Wand geschrieben wurde: „Hier haben wir nicht unsere Kleidung verloren – sondern unsere Seele!“

Am späten Vormittag besuchten wir den Ehrenfriedhof, den Platz der Nationen unterhalb einer kleinen Kapelle, und wurden von dort aus in das so genannte Tal der Toten geleitet. Hier befindet sich auch das Krematorium. Wir durften selbst entscheiden, ob wir diesen Ort des Grauens von innen besichtigen, oder lieber davor auf die anderen warten wollten. Da man den originalen Verbrennungsofen, in dem Tausende von Leichen verbrannt wurden, sehen kann, war sich unsere Rundgangsleiterin nicht sicher, ob wir dieser emotionalen Belastung standhalten. Deshalb überließ sie uns die Entscheidung.

Als wir zurück auf dem ehemaligen Appellplatz waren, bekamen wir kurz Zeit, uns auszuruhen. Wir hatten diese Möglichkeit – die Häftlinge im KZ mussten bei Wind und Wetter funktionieren, wenn sie eine Überlebenschance haben wollten. Kurze Zeit später liefen wir zum nahe gelegenen Steinbruch. Diesen Weg nahmen die KZ-Insassen täglich. Dort angekommen, wurde uns erzählt, wie hart die Arbeit an diesem unwirklichen Ort war, wie hart die Häftlinge schuften mussten, welch unvorstellbar schwere Aufgaben sie zu erfüllen hatten. Besonders eindringlich war die Schilderung, dass die Aufseher aus Freude am Quälen in den Wintermonaten Wasser auf die Steinstufen schütteten, damit der Weg für die Häftlinge mit ihren Holzschlappen noch beschwerlicher wurde.

Den Kopf voller Eindrücke trafen wir uns am frühen Nachmittag wieder am Bus. Einige sprachen gleich auf der Heimfahrt über ihre Erfahrungen, viele stellten noch Fragen und irgendwie hat man gespürt, dass diese Exkursion bei jedem Spuren hinterlassen hat.

aufmerksame Zuhörer
aufmerksame Zuhörer
im Häftlingsbad

(Bericht der Schülerinnen und Schüler der Klassen 10B und 10E)

Mach es zu deinem Projekt: Redesign von KZ-Hersbruck-info.de

Im 2. Halbjahr trafen sich Schüler der Klasse 9a im Rahmen der Homepage AG zu einem fächerübergreifenden Projekt:
Die Homepage des Vereins „Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e. V.“ war etwas in die Jahre gekommen. Was lag näher als unsere neu erworbenen Kenntnisse auch praktisch umzusetzen? „Mach es zu deinem Projekt: Redesign von KZ-Hersbruck-info.de“ weiterlesen

Ausstellung Das KZ-Außenlager Hersbruck und das „Doggerwerk“ in der Aula

 Zur Eröffnung der Ausstellung Das KZ-Außenlager Hersbruck und das „Doggerwerk“ versammelten sich am 13.01.2011 alle 10.Klassen in der Aula, um bei der Eröffnungsfeier die Reden der eingeladenen Ehrengäste anzuhören. „Ausstellung Das KZ-Außenlager Hersbruck und das „Doggerwerk“ in der Aula“ weiterlesen

Exkursion der 10. Klassen nach Flossenbürg

Um 7:50 Uhr fuhren die Klassen 10 E mit Herrn Hieke und 10 F mit Herrn Bach als erste Klassen nicht nach Dachau, sondern nach Flossenbürg ins Konzentrationslager. Flossenbürg ist mit Hersbruck verbunden, da es das Stammlager für das Hersbrucker KZ-Außenlager war. In Hersbruck sollten sie unterirdische Fabriken in die Houbirg bauen, um die drohende Niederlage aufzuhalten. Tausende kamen dabei durch Hunger, Misshandlungen und Erschießungen um. „Exkursion der 10. Klassen nach Flossenbürg“ weiterlesen