Verleihung unseres Schulnamens

Als im Jahr 1976 die Stadt Hersbruck sich anschickte, ihre 1000-Jahr-Feier zu begehen, da gedachte sie auch des bedeutendsten Sohnes ihrer Stadt: Johannes Scharrer. Seine Person ist der Bevölkerung von Hersbruck und des Hersbrucker Landes noch heute in lebendiger Erinnerung, reicht doch sein fruchtbares Schaffen und Wirken bis in unsere Zeit hinein.

Johannes Scharrer (1785-1844)

Als im Jahr 1976 die Stadt Hersbruck sich anschickte, ihre 1000-Jahr-Feier zu begehen, da gedachte sie auch des bedeutendsten Sohnes ihrer Stadt: Johannes Scharrer. Seine Person ist der Bevölkerung von Hersbruck und des Hersbrucker Landes noch heute in lebendiger Erinnerung, reicht doch sein fruchtbares Schaffen und Wirken bis in unsere Zeit hinein. Scharrer wurde als Initiator des Nürnberger Polytechnikums weit über seine Geburtsstadt Hersbruck bekannt, und als Gründer der ersten deutschen Eisenbahn ist er in die Geschichte eingegangen. Die Staatliche Realschule Hersbruck kam zu der Auffassung, daß eine Persönlichkeit wie Johannes Scharrer, der sich auf kulturellem, kaufmännischem und technischem Gebiet große Verdienste erwarb, in hervorragender Weise geeignet ist, Lehrenden und Lernenden unserer Schule ein Vorbild zu sein. Sie beantragte daher im Jubiläumsjahr der Stadt Hersbruck den Namen „Jobannes-Scharrer-Realschule“ beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, wobei sie die einmütige Zustimmung des zuständigen Ministerialbeauftragten, die des Landkreises Nürnberger Land als dem Sachaufwandsträger der Schule sowie des Elternbeirates fand. Auch seitens des Hersbrucker Stadtrates wurde die beantragte Namensverleihung einstimmig begrüßt. Am 28. April 1977 traf die Urkunde ein. Sie hat folgenden Wortlaut:

„Der Staatlichen Realschule Hersbruck wird hiermit der Schulname ‚Johannes-Scharrer-Realschule‘ verliehen. München, den 20. April 1977

Der Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus Professor Hans Maier“

Scharrers Jugend – berufliche Anfänge

Werfen wir einen Blick auf Scharrers Leben und Werk! Johannes Scharrer wurde am 30. Mai 1785 im Haus Nr. 18 am Unteren Markt -eine Bronzetafel weist darauf hin – als Sohn der Metzgers- und Bierbrauerseheleute Georg und Sybilla Scharrer (geb. Sörgel) in Hersbruck geboren. Seine außergewöhnlichen Anlagen zeigten sich schon in der Hersbrucker Lateinschule. Nach einem Zeugnis seines Rektors hatte sich der junge Scharrer „durch seltene Talente, unermüdlichen Fleiß und ungemeine Liebe zu den Wissenschaften neben den vortrefflichsten moralischen Anlagen, die ihm selbst zum Gesetz waren, ausgezeichnet.“ Besondere Verhältnisse veranlaßten ihn jedoch, dem Studium zu entsagen, um sich „dem merkantilistischen Fache zu widmen.“ Beklagt hat Scharrer diesen Schritt nicht, und man kann es als eine glückliche Fügung ansehen, daß er auf eine berufliche Laufbahn gelenkt wurde, die es ihm ermöglichte, seine vielseitigen Begabungen unmittelbar in den Dienst seiner Mitmenschen zu stellen. Nach Abschluß der kaufmännischen Lehre in einem Nürnberger Geschäftshaus hatte er es auf Grund seines unermüdlichen Fortbildungsstrebens soweit gebracht, daß er mit knapp zwanzig Jahren die englische, französische, italienische und spanische Korrespondenz führen konnte.  Sein Wissensdrang, verbunden mit einem Sinn für das Praktische, führte ihn zur Beschäftigung mit kommerziellen und handelspolitischen Fragen auf höherer Ebene.

Bald wurde er mit Ausarbeitungen über Fragen des Handels, der Gewerbe, des Verkehrswesens und der Zölle betraut. 1809 gründete. Scharrer eine eigene Hopfenhandlungsfirma und erwarb sich durch Förderung und Ausweitung des Hopfenhandels besondere Verdienste. Der amtlich beglaubigte Auszug des „Waren-Sconto-Buches“ aus dem Jahre 1817 enthält die Orte, mit denen das Handelshaus Scharrer in engen Geschäftsbeziehungen stand: mit der „Hopfenstadt“ Hersbruck, ferner mit Altdorf, Spalt, Lauf und Hilpoltstein nebst anderen Orten des Rezatkreises. Selbst in Böhmen wurde Hopfen aufgekauft und nach Frankfurt am Main, Gent und London geliefert. Diesen Auszug legte Scharrer später dem zuständigen Ministerium in München als Beweisgrundlage dafür vor, welche Bedeutung dem Großhandel in Nürnberg und seiner engeren Heimat zukomme. Inzwischen war die Regierung von Mittelfranken auf Scharrers weitsichtige Geschäftsführung aufmerksam geworden. Da er auch dem bayerischen Staat gute Dienste zu leisten vermochte, wurde er seit 1818 häufig aufgefordert, zu wichtigen wirtschaftlichen und handelspolitischen Fragen Stellung zu nehmen.

Bürgermeister – Förderer des Schulwesens

Im gleichen Jahr begann auch für die ehemalige Reichsstadt Nürnberg eine neue Epoche: das Gemeindeedikt vom 17. Mai 1818 gab den Nürnbergern das Recht der Selbstverwaltung zurück. Der erst 33-jährige Scharrer wurde zum Magistratsrat gewählt und 1820 zum Leiter des städtischen Schulwesens ernannt. Drei Jahre später wählten ihn die Nürnberger zun: 2„ Bürgermeister. Seinem Können und seiner Tatkraft verdankte Nürnberg nicht nur. die Neuordnung der städtischen Finanzen, die Förderung der Volksschulen und höheren Lehranstalten, sondern auch die im Jahre 1823 gegründete „Polytechnische Lehranstalt“, zu deren Direktor er nach seinem Ausscheiden als Bürgermeister 1830 ernannt wurde. So vermochte er gerade die Schüler, die ihm besonders am Herzen lagen, weitgehend zu fördern. Als Scharrer 1839 von der Leitung des Polytechnikums, das 1834 bereits 968 Schüler hatte, zurücktrat, wurde sein Nachfolger der berühmte Physiker Ohm.

Verkehrspolitische Überlegungen

Inzwischen hatte Scharrer im Auftrag der bayerischen Staatsre-gierung 1832 als Berater an den Verhandlungen über den deutschen Zollverein teilgenommen, auf dessen Bedeutung er bereits 1828 in seinen Denkschriften hingewiesen hatte. Gebührt Scharrers Wirken als Bürgermeister und auf schulischem Gebiet dankbares Andenken, so sind seine ausdauernden Bemühungen um Schaffung eines deut-schen Verkehrswesens hervorzuheben. Sein Name verdient es, neben dem eines Friedrich List genannt zu werden. „Die Geschichte aller Völker hat bewiesen“, meinte Scharrer einmal, “ daß der Handelsverkehr das festeste Band, ist, das die Völker aneinander knüpft, und daß mit der Lösung dieses Bandes kein dauerhaftes politisches Band unter ihnen bestehen kann. Zollbarrieren trennen die Völker, mehr voneinander als Gebirge und Ströme.“

Erste deutsche Eisenbahn

Das größte Verdienst erwarb sich Scharrer durch die Gründung der ersten Eisenbahn Deutschlands, der Ludwigs-Bahn zwischen Nürnberg und Fürth. Darüber besteht kein Zweifel: ohne Scharrers Initiative hätten diese beiden Städte nicht die erste deutsche Eisenbahn bekommen. Bücher und Schriften aus jener Zeit berichten von den zahlreichen Schwierigkeiten, die Scharrer zu überwinden hatte. Hindernisse konnten ihn jedoch nicht einschüchtern. Er sah klar voraus, welch großen Gewinn die Eisenbahn für die Heimat bringen würde. Er betrachtete jedoch die Errichtung und Inbetriebnahme der Ludwigs-Eisenbahn nicht etwa als ein „lukratives Unternehmen“, sondern als kleinstes erstes Glied der „eisernen Zukunftskette“, die Städte und Länder in den großen Verkehrsgebieten Europas miteinander verbinden sollte. Daß ein Mann, der im ungehinderten Verkehr und engeren Zusammenschluß der Völker sich wirtschaftliche Vorteile und Hebung des geistigen Niveaus versprach, die durch das damalige England hervorgerufene „Eisenbahnfrage“ energisch aufgriff, war zu erwarten. In England und in Frankreich war man bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Warum sollte man nicht auch in Deutschland Eisenbahnen bauen? In Nürnberg hatte man schon seit 1818 hin und wieder vom Bau einer Eisenbahn nach Fürth gesprochen. Nach seiner Rückkehr aus Berlin faßte Scharrer den Plan, die beiden Städte Nürnberg und Fürth „mittels Dampfkraft“ zu verbinden. Aber zwischen dem Wollen und dem Vollbringen liegt ein langer und beschwerlicher Weg. Es war Scharrers bahnbrechende Leistung, daß er zielstrebig den von ihm eingeschlagenen Weg verfolgte, mit dem Ziel, die Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth zu errichten. Mit gewohnter Gründlichkeit leitete er. die Vorbereitungen bis ins Detail: die nötigen Geldmittel wurden beschafft, das Gelände angekauft und die Gebäude errichtet. Den „Dampfwagen“ – die berühmte „Adler“ – mußte man noch aus England kommen lassen, alles übrige jedoch, die Baupläne, die Wagen und die Schienen, wurde von deutschen Handwerkern und Meistern hergestellt. So wollte es Scharrer. Schließlich war nach jahrelanger, zäher Arbeit und nach manchem Widerstand ängstlicher und mißtrauischer Zeitgenossen das Werk vollendet: die erste deutsche Eisenbahn war von Nürnberg aus gebaut und am 7. Dezember 1835 eröffnet worden. In seiner kurz darauf veröffentlichten Schrift „Deutschlands erste Eisenbahn mit Dampfkraft oder Verhandlungen der Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft“ und in den späteren Berichten des Direktoriums ist die Arbeit zu erkennen, die er auf die Ausführung und Leitung seiner letzten großen Schöpfung verwendete.

Planung eines europäischen Schienennetzes

In seinem Bericht vom 17. Januar 1840 über die „Darlegung der Verhältnisse der Eisenbahn von Nürnberg über Bamberg an die nördliche Reichsgrenze“ behandelt Scharrer das Zukunftsbild einer großen Kontinentalstraße von London und Havre durch Holland und Belgien über Köln, Frankfurt am Main, Würzburg, Nürnberg, Regensburg, Wien, Budapest, Orsova nach Konstentinopel. „Diesen neuen Hebel, die Dampftransportkraft“, schrieb Scharrer, „-kann kein Staat oder Volk zurückweisen, ohne zugleich auf die durch ihn gewonnenen Fortschritte der menschlichen Herrschaft über Zeit und Raum Verzicht zu leisten.“ Der modern anmutenden Schrift ist eine Karte mit eingezeichneten „Zukunftsbahnen“ des Kontinents beigefügt. Darin hatte der Hersbrucker Bürgersohn ein nach großen Gesichtspunkten geordnetes europäisches Eisenbahnnetz konstruiert. Dabei verstand er es auch, „in gediegener Weise die Forderung der neuen Zeit mit der Ehrfurcht vor der kulturellen Vergangenheit in Einklang zu bringen.“ Noch war die Zeit für die Ausführung seiner Pläne nicht reif, dennoch erachtete er es für seine Pflicht, die Richtungen anzugeben, nach welchen die Bahnen zu bauen waren, wenn sie einst zum Wohle der Völker und Staaten dienen sollten. „Mögen diese weiten und glänzenden Aussichten“, meinte der vom Siegeszug der Eisenbahn überzeugte Scharrer, „jetzt noch als die Geburt einer patriotischen Phantasie betrachtet werden, so läßt sich doch nicht leugnen, daß sie auf natürlichen, geographischen und kommerziellen Verhältnissen beruhen, welche in der jetzigen Zeit des allgemeinen Strebens nach Handelsvereinigung und Handelsfreiheit, der bewundernswürdigen Anwendung der Naturkräfte und der ungemessenen Entwicklung der Industrie vielleicht schneller, als man erwartet, geltend gemacht werden.“

Ausbau der bayerischen Eisenbahnen

Die rasche industrielle Entwicklung gab Scharrers Ansichten recht Sein Eisenbahnbau von Nürnberg nach Fürth war der Auftakt für einen raschen Ausbau des bayerischen Eisenbahnnetzes, ein Projekt, dem auch König Ludwig I. von Bayern günstig gesinnt war. Sein Minister Abel setzte in der Kammer das Staatsbahnprinzip durch, lange bevor die deutschen Großstaaten es realisierten. 1840 erfolgte der Ausbau der Linie München – Augsburg, 1844 Nürnberg – Bamberg und Donauwörth – Augsburg, 1849 Nürnberg – Donauwörth, 1854 Bamberg – Aschaffenburg. In zwei Jahrzehnten waren die Hauptlinien ausgebaut. Am 19. März 1856 hatte König Maximilian II. von Bayern ein Gesetz unterzeichnet, das den Bau der Bahnlinie Nürnberg – Amberg genehmigte. Bereits am 4. Mai 1859 wurde die Eisenbahnlinie von Nürnberg bis Hersbruck links der Peg nitz, die sogenannte „alte Bahn“ eröffnet, die später vom bayerischen Staat übernommen wurde. Damit war auch für Scharrers Geburt Stadt Hersbruck und das Hersbrucker Land eine wichtige Lebensader geschaffen worden. Im Jahre 1877 wurde die Bahnlinie rechts der Pegnitz, die „neue Bahn“, in Betrieb genommen. Johannes Scharrer war eine äußerst tatkräftige, von hohen Idealen erfüllte Persönlichkeit. Klar sehend und von hoher Intelligenz war er dazu berufen, neugestaltend einzugreifen und entscheidend mitzuwirken. Seine ganze Arbeitskraft hat er in den Dienst seiner engeren und weiteren Heimat gestellt. Seine selbstlose und aufopfernde Tätigkeit verzehrte frühzeitig seine Kräfte. Er starb 1844 im 59. Lebensjahr. Zum Gedächtnis an den Schöpfer der ersten deutschen Eisenbahn enthüllte die Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft an seinem Geburtshaus in Hersbruck eine Gedenktafel. Nunmehr trägt auch die Staatliche Realschule Hersbruck seinen Namen.

Dr. Hermann Gogarten Realschuldirektor

Literaturnachweis

  • Bauernfeind, CM. v., Johannes Scharrer, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 30, Leipzig 1890, S. 601 – 612
  • Bosl, K. und Schreibmüller, H., Geschichte Bayerns, Bd. II, Die Neuzeit, München 1955 Conte Corti, E.C,, Ludwig I. von Bayern, München 1960, 6. Auflage
  • Eisenbahn Nürnberg-Fürth und Friedrich List: F. Schnabel, Grundriß der Geschichte, IV, Teil. Leipzig und Berlin 1924, ders., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Die moderne Technik und die deutsche Industrie, Freiburg 1965 (Herder)
  • Falster, V., Bedeutendster Hersbrucker: Johannes Scharrer, Schöpfer der ersten deutschen Eisenbahn, Initiator des Nürnberger Polytechnikums, in: Festausgabe der Hersbrucker Zeitung zur 1000-Jahr-Feier der Stadt vom 03. Juli 1976

Hersbruck – Scharrers Geburtsstadt:

  • Geiger, R., Aschka, ¥., Pfeiffer, E., Gogarten, H., Tausendjähriges Hersbruck, Hersbruck 1976
  • Gogarten, H., Zwischen Wald und Hopfen: Hersbruck – eine tausendjährige Kleinstadt, in: Unser Bayern, Heimatbeilage der Bayer. Staatszeitung, Nr. 6, München 1976
  • Hagen, R., Zum Andenken des 100-jährigen Geburtstages Johannes Scharrers, ehem. 2. Bürgermeisters in Nürnberg und Gründers der ersten Eisenbahn mit Dampfbetrieb, 30. Mai 1885, Nürnberg 1885
  • Mummenhoff, E., Johannes Scharrer, in: Lebensläufe aus Franken, Bd. 1, München 1919; hier weitere Quellenangaben und Literatur auf S. 426 – 427
  • Scharrer, Johannes (1785 – 1844): Der Nürnberger Schuljugend gewidmet vom Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, Nürnberg 1935
  • Schmidt, G., Stadt und Landkreis Hersbruck, Hersbruck 1951